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Szenario: Flüchtlingsmedizin



Technische Lösungsansätze für die medizinische Versorgung von Geflüchteten.

Die medizinische Versorgung von Geflüchteten wird stark von sprachlichen Barrieren und der fehlende Kenntnis über das Gesundheitssystem beeinträchtigt. Es besteht die Gefahr, dass Behandlungen länger dauern und aufgrund von Missverständnissen zu unnötigen Untersuchungen und unvollständigen Anamnesen führen. Auch eine adäquate psychologische Betreuung, um das Erlebte zu verarbeiten, ist oftmals nicht gegeben. All diese Komplikationen können zu einer enormen Belastung für den Menschen selbst, aber auch für die Arztpraxen und Krankenhäuser werden.
Moderne Technologien und die Telemedizin bieten hier die Möglichkeit, fremdsprachige medizinische Hilfe oder sogar Ärzte digital und über räumliche Entfernungen hinweg zur Verfügung zu stellen. Schwere körperliche oder seelische Leiden können somit von Beginn an ausreichend behandelt werden, um zu einer besseren medizinischen Versorgung von Geflüchteten beizutragen.

Motivation



Technische Möglichkeiten nutzen und in die medizinische Versorgung integrieren.

Menschen, die in einem neuen Aufnahmeland ankommen sollten gut versorgt werden. Dabei muss gewährleistet werden, dass alle Patienten trotz eines möglicherweise erhöhten Patientenaufkommens gleichermaßen behandelt werden. Die Telemedizin kann dabei unterstützen, um von der Anamnese bis zur Nachsorge auch fremdsprachigen Patienten die bestmögliche Versorgung zu ermöglichen.
Mit dem Einsatz von verschiedenen Technologien kann sowohl bei stabilen Zuwanderungsbedingungen als auch bei starker Zunahme an Menschenströmungen schnell und richtig reagiert werden. Patienten müssen somit nicht von Arzt zu Arzt oder gar weggeschickt werden, sondern erhalten von Beginn an die Untersuchungen, die für sie richtig sind. Somit können beispielsweise Krankheitsbilder rechtzeitig erkannt, unnötige Untersuchungen vermieden und die Gefahr für Ansteckungen minimiert werden.

Problembeschreibung



Sprachliche und kulturelle Barrieren im medizinischen Alltag überwinden.

Eine große Problematik der medizinischen Versorgung von Geflüchteten besteht in den sprachlichen und kulturellen Barrieren, die zu hohen Zeitaufwänden, Wartezeiten und hohen Kosten in Arztpraxen, Krankenhäusern und Unterkünften führen können. Die Patienten können ihre Beschwerden oftmals nur schwierig oder gar nicht ausdrücken. Die notdürftige Verständigung führt zu falschen Annahmen und Untersuchungen, die nicht notwendig wären wenn der Patient richtig verstanden werden könnte. Daneben ist auch auf unterschiedliche kulturelle Vorstellungen Rücksicht zu nehmen.
Die oben beschriebenen Barrieren gestalten die weitere Versorgung somit ineffektiv, ineffizient und oftmals sogar unzulänglich. Standardisierte Handlungsabläufe zur Abfrage des Gesundheitszustands sind in vielen Gesundheitseinrichtungen und Unterkünften nicht vorhanden. Hinzu kommen Krankheitsbilder, die den Ärzten oft nicht geläufig sind und folglich nicht richtig behandelt werden können.

Lösungsansätze



Verschiedene Lösungsansätze unterstützen die medizinische Versorgung von Geflüchteten.
Diese lassen sich für unterschiedliche Bereiche anwenden.

  • Mit der Digitalen Eigenanamnese können Patienten, noch bevor sie in einer medizinischen Einrichtung behandelt werden, digital bezüglich Symptomen oder Krankheitsverlauf befragt werden.

    Die Befragung findet mithilfe eines Digitalen Fragebogens statt, der in verschiedene Sprachen übersetzt und mit erklärenden Videos oder Bildern versehen werden kann.

    Dieser Ansatz kann bei der Triage, also der Priorisierung von medizinischen Hilfeleistungen, unterstützen. Arzt und Patient haben somit ein besseres, gemeinsames Verständnis für die Symptome. Darüber hinaus können Über- bzw. Unterversorgung aufgrund von falsch verstandenen Diagnosen vermieden werden.

  • Das Telekonsil bietet die Möglichkeit räumlich entfernte Spezialisten (z.B. Ärztinnen und Ärzte) zu einer Behandlung oder Untersuchung per Video hinzuzuziehen.

    Erstaufnahmestellen und dezentrale Unterkünfte können somit via Video auf Ärztinnen und Ärzte mit Migrationshintergrund zugreifen. Diese können mit dem Patienten sprechen und bei Bedarf Aufgaben an qualifizierte hilfeleistende Personen vor Ort delegieren (z.B. Messen des Blutdrucks, etc.).

    Dieser Ansatz hilft nicht nur bei der Bewältigung von sprachlichen und kulturellen Barrieren sondern steigert auch die Effizienz und medizinische Qualität der Versorgung. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird gewahrt, da keine Dolmetscher dem Gespräch beiwohnen.

  • Im Rahmen einer digitalen Therapie führen Patienten ein Therapieprogramm online durch.

    Eine Digitale Psychotherapie bietet durch verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten, wie Videotelefonie oder ähnliches die Möglichkeit eine psychotherapeutische Behandlung von Geflüchteten ortsunabhängig anzubieten. Über diesen Ansatz können die Geflüchteten mögliche Traumatisierungen gemeinsam mit qualifizierten, deren Sprache sprechenden Therapeuten aufarbeiten.

    Therapiesitzungen können einzeln oder in der Gruppe stattfinden, um sich gemeinsam über das Erlebte auszutauschen. Darüber hinaus lassen sich auch Jugendämter integrieren, um jugendliche Geflüchtete bei der Bewältigung ihrer Erlebnisse zu unterstützen und spätere Verhaltensauffälligkeiten zu vermeiden.

  • Digitale Übersetzungshilfen unterstützen Mitarbeitende im Gesundheitswesen bei der Kommunikation mit ausländischen Patienten.

    Dabei können Apps, Beschreibende Bilder oder auch Videos zum Einsatz kommen. Sie beschreiben ein Krankheitsbild oder Symptome in unterschiedlichen Sprachen und dienen somit dem besseren Verständnis zwischen bspw. Rettungsdienst und Patient.

    Die Digitalen Übersetzungshilfen ermöglichen eine gute Ersteinschätzung des Patienten und dessen Symptome und vermeiden fehlerhafte Anamnesen aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten.

  • Das Online-Terminmanagement ist ein Tool, das es ermöglicht die Prozesse rund um die Terminvergabe zu digitalisieren.

    Patienten können ihre Arzttermine somit online vereinbaren. Darüber hinaus kann die Gesundheitseinrichtung ihnen wichtige Dokumente bereits vor dem Besuch zukommen lassen. Fremdsprachige Patienten können diese Dokumente vorab entweder in ihrer Muttersprache sichten oder mit einem Dolmetscher oder Betreuer bearbeiten.

    Darüber hinaus entlastet das Online-Terminmanagement das hohe Patientenaufkommen in der Praxis, und reduziert Wartezeiten, die aufgrund von Sprachbarrieren am Telefon oder vor Ort entstehen. In großen Einrichtungen, wie Kliniken, kann über das Online-Terminmanagement zudem sichergestellt werden, dass möglicherweise auch ein Arzt, der die Sprache des Patienten spricht, verfügbar ist.

Fallbeispiele



Einige Lösungsansätze konnten in diversen Projekten und verschiedenen Regionen erfolgreich umgesetzt werden.
Wir stellen Ihnen eine Auswahl an Fallbeispielen vor.

TeleView

Im Projekt "Teleview" unterstützen Ärzte mit Migrationshintergrund via Videosprechstunde die Anamnese, Triage, Diagnose und Aufklärung in Flüchtlingsunterkünften, Arztpraxen und Krankenhäusern. Die Behandlung per Videosprechstunde erfolgt stets mit Anwesenheit einer medizinischen Fachkraft (Arzt, Pflegefachkraft, Notfallsanitäter), die auf Anweisung des Arztes verschiedene Aufgaben durchführen kann (z.B. Blutdruck messen). Die beteiligten Einrichtungen können auf Ärzte unterschiedlicher Fachgebiete, Nationen und Kulturen zugreifen, sodass die ambulante Erstversorgung von Geflüchteten deutlich verbessert werden kann.

Tip Doc

Tip Doc unterstützt Ärztinnen und Ärzte, Rettungskräfte und medizinisches Personal bei der Kommunikation mit fremdsprachigen Patienten. Ein digitales Wörterbuch gibt dabei verschiedene Symptome in einer Kombination aus Bild und entsprechender fremdsprachiger Beschreibung wieder. Tip Doc übersetzt in 23 verschiedene Sprachen und sorgt dafür, dass Patienten Themen ansprechen können, für die ihnen das Vokabular fehlt. Die Diskretion kann somit bewahrt werden, indem keine dritte Person (z.B. Dolmetscher) herangezogen werden muss.

Komcard

Um die administrativen Prozesse rund um die medizinische Versorgung von Geflüchteten zu vereinfachen, hat die niedersächsiche Stadt Geestland eine sogenannte "Komcard" für asylsuchende Menschen im Einsatz. Die Komcard bildet dabei eine Art Vorläufer zur Elektronischen Gesundheitskarte, die Asylsuchende erst nach 15 Monaten dauerhaftem Aufenthalt erhalten. Mit Hilfe eines QR-Codes können Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser einen Einblick in ein digital angelegtes Gesundheitskonto des Geflüchteten erhalten. Die Komcard bildet somit eine zentrale Sammelstelle der Gesundheitsdaten und vereinfacht die Abrechnung der Behandlungen über die Kommunen.

Online-Therapie „Ilajnafsy“

Das Programm "Ilajnafsy" richtet sich an arabisch sprachige Kriegsopfer oder Geflüchtete. Es handelt sich dabei um eine anonyme Online-Therapie, für die man sich kostenlos registrieren kann. Die Kommunikation erfolgt auf arabisch per E-Mail oder Telefon. Die Therapie bietet Unterstützung für Personen mit Traumafolgestörungen oder Depressionen. Sie baut auf einen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz und nutzt dabei eine "Schreibtherapie" zur Verarbeitung der Erlebnisse.

Selbsthilfe-App "Almhar"

"Almhar" ist eine multilinguale App, die für Geflüchtete entwickelt wurde, die nun in einem anderen Land leben. Die App soll den Geflüchteten in 12 Modulen dabei helfen, mit oftmals auftretenden emotionalen Problemen umzugehen. "Almhar" gibt neben Tipps zum Umgang mit beispielsweise Schlafproblemen auch Hintergrundinformationen zu allgemein verbreiteten emotionalen Problemen wie Stress, Angst und Kummer, welche die Geflüchteten überkommen können. Die Betroffenen erhalten dabei Hilfe auf Farsi, Arabisch und Englisch.

Digitale Eigenanamnese Frankfurt Oder

Die Notaufnahme des Klinikum Frankfurt Oder nutzt die Digitale Eigenanamnese, um Patienten noch vor einer Behandlung digital bezüglich ihres Krankheitsverlaufs zu befragen. Die Digitalen Fragebögen, die dabei zum Einsatz kommen, können in verschiedene Sprachen übersetzt werden. Somit geht einer Behandlung immer eine standartisierte und strukturierte Abfrage voraus, um den Patienten und seine Beschwerden besser einzuschätzen. Die Eigenanamnese sorgt für das gleiche Verständnis auf beiden Seiten und stellt die Weichen für eine weitere Untersuchung.

Logbuch



Was sie sonst noch zum Thema Flüchtlingsmedizin interessieren könnte, haben wir hier zusammengestellt.
Eine Garantie auf Vollständigkeit und Aktualität können wir nicht geben.

  • Studie zur Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge Weiterlesen
  • Stand der Implementierung der Gesundheitskarte für Geflüchtete in den Bundesländern Weiterlesen
  • Beitrag zur "Komcard" in der Ärztezeitung Weiterlesen
  • Webseite "Almhar" Weiterlesen
  • Online-Therapie – eine neue Perspektive in der Psychotherapie für Flüchtlinge und Asylbewerber? Weiterlesen
  • Webseite "Ilajnafsy" Weiterlesen
  • Erfolgsgeschichte "Teleview für Flüchtlinge" Weiterlesen
  • Bundesärztekammer: Medizinische Versorgung von Flüchtlingen Weiterlesen

Sie kennen weitere Quellen und Fallbeispiele?
Senden Sie uns diese gerne zu.